NEWSLETTER NR. 05 - 2023

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DIREKTE STEUERN

EIGENKAPITALFÖRDERUNG (ACE UND SUPER-ACE)

Die "Neutralisierung" im Sinne von Artikel 1 Absatz 6-bis Gesetzesdekret 201/2011 kommt auf Unternehmen, die nicht gegenüber der Öffentlichkeit tätig sind und zur Gruppe von Rechtssubjekten zählen, die eine Versicherungstätigkeit ausüben, weder für die Zwecke der ordentlichen Eigenkapitalförderung (ACE) noch für die sogenannte "innovative Eigenkapitalförderung (ACE Innovativa)" zur Anwendung (italienisches Finanzamt, Antwort auf Antrag auf verbindliche Auskunft 228 vom 1. März 2023).

Ist die ordentliche Eigenkapitalförderung für die Geschäftsjahre vor 2021 negativ, sind für die Berechnung der Super-ACE lediglich die Erhöhungen aus 2021 zu berücksichtigen (ohne die Rückgänge aus 2021), wodurch sich für die Super-ACE gemessen an der etwaigen "negativen" Eigenkapitalförderungsgrundlage (ACE) für die vorangegangenen Geschäftsjahre kein Nachteil ergibt (italienisches Finanzamt, Antwort auf Antrag auf verbindliche Auskunft 229 vom 1. März 2023).

Die Reduzierungen der Eigenkapitalzunahme gemäß Artikel 10 Ministerialverordnung vom 3. August 2017 - die auf die Eigenkapitalzunahme entfallen, wofür die innovative Eigenkapitalförderung in Anspruch genommen werden kann - sind lediglich jene, die sich aus den zwischen dem 1. Januar 2021 und dem 31. Dezember 2021 durchgeführten Transaktionen ergeben (italienisches Finanzamt, Antwort auf Antrag auf verbindliche Auskunft 229 vom 1. März 2023).

Das italienische Finanzamt hat Klarstellungen zur Anwendung von Artikel 5 Absatz 8 der Eigenkapitalförderungsverordnung ("Decreto ACE") geliefert, wonach: ''Für die Ermittlung der Zunahme gemäß Buchst. b) Absatz 2 sind die aufgrund von Gewinnen gebildeten Rücklagen: [...] a) aus infolge von Betriebs- oder Betriebszweigeinbringungen verbuchten Veräußerungsgewinnen" - bei nachfolgender Abtretung der nach der Einbringung erhaltenen Beteiligungen nicht von Belang (italienisches Finanzamt, Antwort auf Antrag auf verbindliche Auskunft 262 vom 21. März 2023).

 

ABSPALTUNG DES IMMOBILIENZWEIGES

Eine teilweise nicht proportionale Abspaltung zur Trennung des Kerngeschäfts vom Immobiliengeschäft gilt nicht als steuerumgehend. Steuerlich gilt das der begünstigten Gesellschaft zugewiesene Eigenvermögen als der Art der Eigenkapitalposten der abgespaltenen Gesellschaft entsprechend (Kapital oder Gewinn) und demselben Verhältnis entsprechend gemäß Artikel 173 Absatz 9 EstG, worin auf Artikel 172 Absatz 5 und Absatz 6 EStG verwiesen wird, gebildet (italienisches Finanzamt, Antwort auf Antrag auf verbindliche Auskunft 233 vom 1. März 2023).

 

ABSPALTUNG ALLEIN DER LIQUIDITÄT

Eine folgendermaßen strukturierte proportionale Abspaltung:

  • Aufnahme seitens der begünstigten Gesellschaft einer sehr kurzfristig zu tilgenden Bankenfinanzierung;
  • Verwendung der von der begünstigten Gesellschaft erhaltenen Liquidität zur Tilgung der eigenen Verbindlichkeiten gegenüber der abgespaltenen Gesellschaft bestehend aus verzinslichen Finanzierungen, die vorher von der abgespaltenen Gesellschaft bereitgestellt wurden;
  • Erstattung der von der abgespaltenen Gesellschaft aus einer teilweisen proportionalen Abspaltung (die allein die genannte Liquidität zum Gegenstand hat) erhaltenen Liquidität an die begünstigte Gesellschaft und Tilgung der Bankenfinanzierung,

ist missbräuchlich, zumal dadurch die eigentlichen Regelungen zu echten Kapitalerhöhungen (die durch Liquidität, die der unmittelbaren Verfügbarkeit der Gesellschafter entstammt, oder durch vorherige Ausschüttung von Dividenden seitens der abgespaltenen Gesellschaft finanziert werden) oder zu virtuellen Kapitalerhöhungen (durch Verzicht der abgespaltenen Gesellschaft auf deren Forderung gegenüber der begünstigten Gesellschaft) umgangen werden (italienisches Finanzamt, Antwort auf Antrag auf verbindliche Auskunft 263 vom 21. März 2023).

 

TRANSAKTIONSKOSTEN

Nach der Übernahme, bei der:

  • Bidco die Beteiligung an der Zielgesellschaft kauft;
  • Bidco die Transaktionskosten (d. h. die strategische, rechtliche, finanzielle und steuerliche Beratung sowie sonstige Nebenleistungen im Rahmen der Übernahme) unter den Kosten für die Beteiligung an der Zielgesellschaft, entsprechend den Grundsätzen des OIC (Organismo Italiano di Contabilità) aktiviert,
  • Bidco mit der Zielgesellschaft verschmilzt,

wird der letzte Jahresabschluss vor der Verschmelzung von Bidco (OIC) in Anwendung der IAS-Bilanzierungsgrundsätze der Zielgesellschaft berichtigt und die Transaktionskosten werden erfolgswirksam erfasst. Die Zielgesellschaft kann diese Kosten jedoch nicht im Geschäftsjahr absetzen, zumal diese von der verschmolzenen Gesellschaft bereits auf die Kosten der Beteiligung angerechnet wurden (italienisches Finanzamt, Antwort auf Antrag auf verbindliche Auskunft 235 vom 2. März 2023).

 

AUSSERORDENTLICHE ERTRÄGE

Eine nicht bestehende Verbindlichkeit aus nicht zum besteuerbaren Einkommen zählenden Elementen stellt keine steuerbaren außerordentlichen Erträge nach Maßgabe von Artikel 88 EStG dar. In diesem Sinne stellen Steuererstattungen lediglich dann steuerbare außerordentliche Erträge dar, wenn die Steuern, worauf sich diese beziehen, zum besteuerbaren Einkommen gezählt wurden. Waren die erstatteten Steuern hingegen nicht steuerlich absetzbar, hat deren Erstattung keine steuerbaren außerordentlichen Erträge zur Folge (italienisches Finanzamt, Antwort auf Antrag auf verbindliche Auskunft 240 vom 6. März 2023).

 

ZWISCHENGESCHALTETER TRUST

Handelt es sich beim Trust um eine reine Hülle und ist die Verfügbarkeit der Vermögenswerte, die das Vermögen desselben bilden, auf andere Personen zurückzuführen (Settlors oder Begünstigte des Trust), ist derselbe als reines zwischengeschaltetes Rechtssubjekt zu betrachten und das Vermögen (sowie das Einkommen) ist den Personen zuzuweisen, die darüber effektiv verfügen (italienisches Finanzamt, Antwort auf Antrag auf verbindliche Auskunft 251 vom 16. März 2023).

 

STEUERLICHE ANSÄSSIGKEIT

Das italienische Finanzamt hat für den Fall, dass eine steuerlich in Italien ansässige natürliche Person ihre steuerliche Ansässigkeit unterjährig in die Schweiz verlegt, Klarstellungen zur Aufteilung des Veranlagungszeitraums geliefert (siehe Artikel 4 Paragraph 4 des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Italien und der Schweiz) (italienisches Finanzamt, Antwort auf Antrag auf verbindliche Auskunft 255 vom 17. März 2023).

 

AUSLÄNDISCHE DIVIDENDEN

Die 95-prozentige Steuerbefreiung für "Renditen von Kapitalbeteiligungen" an ausländischen Unternehmen steht zu, sofern die Voraussetzungen hierfür erfüllt werden (sog. Double Equity), d.h. "vollständige Korrelation mit den wirtschaftlichen Ergebnissen" und "vollständige Nichtabsetzbarkeit" im Rahmen der Ermittlung des ausländischen Einkommens des ausgebenden Unternehmens (italienisches Finanzamt, Antwort auf Antrag auf verbindliche Auskunft 256 vom 17. März 2023).

 

EINBRINGUNG VON BETRIEBEN UND NACHFOLGENDE ABTRETUNG VON ANTEILEN

Bei einer folgendermaßen strukturierten Transaktion:

  • Einbringung eines Betriebszweiges in eine neu zu gründende Gesellschaft,
  • Abtretung der Gesamtbeteiligung an der neugegründeten Gesellschaft zu Gunsten einer dritten und unabhängigen Gesellschaft,
  • Abschluss eines Betriebspachtvertrags zwischen der neugegründeten Gesellschaft und der übernehmenden Gesellschaft

stellt das italienische Finanzamt keine steuerumgehenden Aspekte fest, sofern die Transaktion zu marktgerechten Bedingungen abgewickelt wird (italienisches Finanzamt, Antwort auf Antrag auf verbindliche Auskunft 260 vom 21. März 2023).

 

NEUINVESTITIONEN

Das italienische Finanzamt liefert Klarstellungen zu "Neuinvestitionen" im Sinne von Artikel 2 Gesetzesdekret 147/2015 (italienisches Finanzamt, Rundschreiben 7 vom 28. März 2023).

 

AUSSERORDENTLICHER ERTRAG AUFGRUND EINES URTEILS

Ergibt sich aufgrund eines Urteils ein positives Einkommenselement, muss dieses im Geschäftsjahr, in dem das Urteil erlassen wurde, erfolgswirksam erfasst werden, ungeachtet dessen, ob das Urteil rechtskräftig ist oder nicht oder im weiteren Sinne ungeachtet des laufenden Gerichtsverfahrens. Tatsächlich muss die dadurch entstandene Verpflichtung nicht unabänderlich sein, um buchhalterisch als Einkommenselement erfasst zu werden.

Die Unantastbarkeit des Grundsatzes der periodengerechten Erfassung von positiven Einkommenselementen bewirkt in jedem Falle nicht, dass diese zum Zeitpunkt des - wenngleich verspäteten - Ansatzes im Jahresabschluss von der Besteuerung ausgeschlossen sind, sondern vielmehr deren Besteuerung in Übereinstimmung mit dem Ableitungsgrundsatz im Geschäftsjahr der Verbuchung (italienisches Finanzamt, Antwort auf Antrag auf verbindliche Auskunft 264 vom 21. März 2023).

 

IVA

 

GARANTIE FÜR MEHRWERTSTEUERERSTATTUNG

Nach einer Betriebsabtretung ist beim Käufer zu prüfen, ob die Voraussetzungen gemäß Artikel 38-bis DPR 633/1972 für die Inanspruchnahme der Befreiung von der Verpflichtung zur Garantieleistung gegeben sind (italienisches Finanzamt, Antwort auf Antrag auf verbindliche Auskunft 227 vom 1. März 2023).

 

EINTRAGUNG IN DAS MEHRWERTSTEUERINFORMATIONSSYSTEM (MIAS)

Die Mitteilung einer gültigen Mehrwertsteueridentifikationsnummer ist nach Maßgabe von Artikel 41 neuer Absatz 2-ter Gesetzesdekret 331/1993 keine reine Formvorschrift mehr, sondern eine wesentliche Voraussetzung für die Anwendung der Regelung zur Mehrwertsteuerbefreiung. Demnach kann die Regelung zur Mehrwertsteuerbefreiung nicht in Anspruch genommen werden, wenn der Käufer dem Lieferanten zum Zeitpunkt der Abtretung keine gültige, in das Mehrwertsteuerinformationssystem (MIAS) eingetragene Mehrwertsteueridentifikationsnummer mitgeteilt hat, sodass der entsprechende Vorgang in Italien mehrwertsteuerpflichtig ist, wobei der italienische Mehrwertsteuersatz zur Anwendung kommt (italienisches Finanzamt, Antwort auf Antrag auf verbindliche Auskunft 230 vom 1. März 2023).

 

VERGLEICHSVEREINBARUNGEN

Nach Auffassung des italienischen Finanzamts stellt eine Vergleichsvereinbarung, worin eine Partei eine Unterlassensverpflichtung (Verzicht auf einen Rechtsstreit) eingeht und die andere Partei auf die Forderung der Erstattung der Summe für die Kaution verzichtet, eine synallagmatische Verbindung dar und daher einen objektiven Besteuerungsgrund gemäß Artikel 3 Absatz 1 DPR 633/1972 (Italienisches Finanzamt, Antwort auf Antrag auf verbindliche Auskunft 232 vom 1. März 2023).

 

ZIVILRECHTLICHE ASPEKTE

 

DURCHFÜHRUNGSVERORDNUNG DER EU-RICHTLINIE ZUM SCHUTZ VON WHISTLEBLOWERN

Die EU-Whistleblowing-Richtlinie 2019/1937 (die “Richtlinie”) wurde erlassen, um i) die nationalen Gesetzgebungen zum Schutz von Hinweisgebern bei Verstößen gegen das Gemeinschaftsrecht in einer (öffentlichen oder privaten) Organisation, zu vereinheitlichen und insbesondere um ii) denselben besseren Schutz zu gewährleisten sowie um iii) sichere Kommunikationskanäle zu schaffen, über die Meldungen innerhalb und außerhalb einer Organisation vorgenommen werden können.

Der Hinweisgeberschutz (Whistleblowing) ist ein wichtiges Instrument der betrieblichen Compliance, womit Angestellte (der öffentlichen Verwaltung oder von Privatunternehmen) allfällige Straftaten im Interesse der Allgemeinheit, die sie im Rahmen ihrer Tätigkeit feststellen, vertraulich und auf sichere Art und Weise melden können.

In Italien war der Hinweisgeberschutz bisher – wenngleich lediglich in eingeschränktem Maße – insbesondere im Bereich der Privatwirtschaft – durch Gesetz 179/2017 geregelt worden. Durch das letzthin zur Umsetzung der Richtlinie erlassene GVD 24/2023 (die “Verordnung”) wurden die Hinweisgeberschutzregelungen nun unter den folgenden Gesichtspunkten genauer umgesetzt:

Hinweisgeberschutz

Der durch die Verordnung gebotene Schutz gilt für alle, die Verstöße melden, von denen sie im Rahmen ihrer Arbeitstätigkeit Kenntnis erlangt haben, d.h.:

Angestellte oder Mitarbeitende,

  • selbständig und unselbständig Beschäftigte,
  • Freiberufler,
  • sowie ehrenamtlich tätige Personen und (auch unbezahlte) Auszubildende,
  • Aktionäre und Personen mit Verwaltungs-, Leitungs-, Kontroll-, Überwachungs- und Vertretungsfunktionen.

Darüber hinaus gelten die Schutzmaßnahmen auch für sogenannte “Vermittler”, also Kolleginnen und Kollegen, Verwandte oder enge Bezugspersonen der Hinweisgebenden.

Anwendungsbereich

In subjektiver Hinsicht richtet sich die Verordnung neben öffentlich Bediensteten auch an Bedienstete der Privatwirtschaft, die folgende Anforderungen erfüllen:

durchschnittlich 50 unselbständig Beschäftigte mit befristeten oder unbefristeten Arbeitsverträgen im letzten Jahr;

unter den Anwendungsbereich der Rechtsakte der Union (im Bereich der Finanzdienstleistungen, Finanzprodukte und Finanzmärkte sowie der Vermeidung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, Umweltschutz und Transportsicherheit) fallen, wenngleich sie nicht durchschnittlich 50 Angestellte beschäftigt hatten; 

ungeachtet der Anzahl der Angestellten, das vom GVD 231/2001 (OMKM) vorgesehene Organisations-, Management- und Kontrollmodell anwenden.

In objektiver Hinsicht kommt die Verordnung auf alle Verhaltensweisen in den Bereichen Verwaltung, Rechnungslegung, Zivil- oder Strafrecht zur Anwendung, die sowohl gemäß den italienischen Bestimmungen als auch dem EU-Recht rechtswidrig sind, und dabei dem öffentlichen Interesse oder der Integrität der öffentlichen Verwaltung und der privaten Körperschaft schaden.

Interne Meldungen

Laut Verordnung müssen die oben genannten Einrichtungen einen Kanal für interne Meldungen (der “Kanal”) einrichten. Dieser soll sicherstellen, dass die Identität der Hinweisgeber, allfälliger im Rahmen der Meldung genannten Drittpersonen sowie der Inhalt der Meldung durch Verwendung von Verschlüsselungssystemen absolut geheim gehalten wird.

Der Kanal muss intern oder extern einer unabhängigen und für die Erfüllung derartiger Auflagen ausgebildeten Person oder einem Büro (z. B. externer Freiberufler oder Überwachungsgremium) anvertraut werden.

Die Meldungen müssen im Rahmen eines spezifischen Verfahrens aufbewahrt, verifiziert und analysiert werden.

Für privatwirtschaftliche Einrichtungen mit weniger als fünfzig Angestellten ist lediglich die interne Meldung von Straftaten zulässig. In diesem Falle ist eine Meldung über einen externen Kanal und die öffentliche Bekanntmachung daher ausgeschlossen.

Externe Meldungen

Darüber hinaus regelt die Verordnung die Voraussetzungen für die hilfsweise und/oder alternative Nutzung der externen Meldekanäle, d.h. die Meldung an eine externe Einrichtung. Empfangende Stelle ist in diesem Falle auch für die Privatwirtschaft die italienische Antikorruptionsbehörde (ANAC). 

Datenschutzpflichten

Die Meldungsempfänger sind dazu angehalten, ein Informationsschreiben im Sinne von Artikel 13 DSGVO bereit zu stellen.   Werden Meldekanäle von mehreren Verpflichteten genutzt, müssen diese eine Vereinbarung im Sinne von Artikel 26 DSGVO (Mitinhaber der Datenverarbeitung) unterzeichnen. Wird der Meldekanal Drittpersonen anvertraut, muss der Auftragnehmer als externer Verantwortlicher im Sinne von Artikel 18 DSGVO ernannt werden.

Strafgebühren:

10.000 bis 50.000 Euro: sofern Vergeltungsmaßnahmen gegen Hinweisgeber festgestellt werden oder sofern festgestellt wird, dass die Hinweisgebung behindert wurde oder dass versucht wurde, diese zu verhindern oder dass die Pflicht zur Geheimhaltung der Hinweisgeber verletzt wurde;

10.000 bis 50.000 Euro: sofern festgestellt wird, dass keine Hinweisgebungskanäle eingerichtet wurden, dass keine Verfahren zur Vornahme und zur Bearbeitung von Hinweisen angenommen wurden oder dass die Annahme dieser Verfahren nicht regelkonform ist oder wann immer festgestellt wird, dass die erhaltenen Hinweise nicht geprüft und analysiert wurden.

500 bis 2.500 Euro: sofern eine strafrechtliche Haftung der Hinweisgeber für Straftaten der Verleumdung und üblen Nachrede festgestellt wird;

Privatrechtliche Einrichtungen mit einem Organisations-, Management- und Kontrollmodell (“OMKM”) müssen in der Disziplinarordnung Strafen für die Verursachen von strafbaren Zuwiderhandlungen vorsehen.

Inkrafttreten der Verordnung

Die Verordnung greift nach Ablauf von vier Monaten ab dem Tag ihres Inkrafttretens, d.h. ab dem 15. Juli 2023. Dies gilt jedoch nicht für privatrechtliche Einrichtungen, die – sofern diese im letzten Jahr durchschnittlich bis zu 249 unselbständig Beschäftigte mit einem befristeten oder unbefristeten Arbeitsvertrag hatten – bis zum 17. Dezember 2023 Zeit haben, um einen internen Hinweisgebungskanal einzurichten.

Schlussfolgerungen: Die neuen gesetzlich auferlegten Pflichten zwingen Unternehmen dazu, ihre Compliance-Programme und/oder ihre OMK-Modelle gemäß Gesetz 231/2001 zu überarbeiten, und gegebenenfalls auf den neuesten Stand zu bringen: dabei ist es einerseits unerlässlich die Angemessenheit der bereits vorhandenen Hinweisgebungssysteme zu prüfen (oder diese erstmalig einzurichten) und andererseits sicherzustellen, dass Instrumente vorhanden sind, um (auch durch externe Ressourcen) die Anschuldigungen, die Gegenstand solcher Hinweisgebungen sind, mit der gebotenen Sorgfalt und Reaktionsschnelligkeit prüfen zu können.

 

NEUER ZIVILPROZESS INFOLGE DER CARTABIA-REFORM

Am 1. März 2023 ist die Reform des Zivilprozesses in Kraft getreten.

Die wichtigsten Neuerungen betreffen u. a.:

längere Frist von nunmehr 120 Tagen (vorher 90 Tage) zwischen der Zustellung der Vorladung und der Erstverhandlung;

kürzere Frist für die Einlassung in das Verfahrens seitens der beklagten Partei, die den Einlassungsschriftsatz und die Klageerwiderung mindestens 70 Tage (vorher 20 Tage) vor der Erstverhandlung hinterlegen muss;

Vorabübermittlung der Schriftsätze, die sich die Parteien vor der Erstanhörung untereinander austauschen (vorher gewährte der Richter hierfür eine Frist nach der Erstanhörung);

persönliche Teilnahme der Parteien an der Erstverhandlung, damit diese zu den Sachverhalten befragt werden können und ein Schlichtungsversuch unternommen werden kann.

Dies bedeutet, dass Beklagte, denen allenfalls eine Vorladung zugestellt wird:

in kürzester Zeit aktiv werden müssen;

dem Anwalt ihres Vertrauens rasch alle Nachweise liefern müssen.

Darüber hinaus wurde im Rahmen dieser Reform außergerichtliche Verhandlungen in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten (wenngleich diese keine Voraussetzung für die Zulässigkeit vor Gericht darstellen) eingeführt. Dadurch können Arbeitgeber und Arbeitnehmer Vereinbarungen unterzeichnen, die von einem Anwalt bestätigt werden, ohne eine Schlichtungskommission einzuschalten.

 

LEITSÄTZE DES NOTARIATSRATS ZUM GESELLSCHAFTSRECHT

Der Notariatsrat von Florenz (der “Notariatsrat”) hat sich in den Leitsätzen 78/2022 und 83/2022 jeweils für die folgenden Thesen ausgesprochen: i) Zulässigkeit der Ernennung eines gesellschaftsfremden Verwaltungsratsmitglieds bei Personengesellschaften und ii) Rechtmäßigkeit der bei Gründung von Kapitalgesellschaften beschlossenen Kapitalerhöhung, vorbehaltlich der folgenden unverzichtbaren Spezifizierungen und Einschränkungen.

Der Notariatsrat erachtet es als zulässig, dass die Befugnis zur Verwaltung einer Personengesellschaft an eine Drittperson, die nicht Gesellschafter ist, übertragen werden kann:

bei OHGs zumal in Ermangelung ausdrücklich anderslautender gesetzlicher Vorgaben die solidarische und uneingeschränkte Haftung eines jeden Gesellschafters gegenüber Drittpersonen in jedem Falle gesetzlich gewährleistet ist (Artikel 2291 Absatz 2 ZGB);

und bei einfachen Gesellschaften, zumal es auch in diesem Falle wie bei OHGs keine ausdrücklich anderslautenden gesetzlichen Vorgaben gibt, sowie unter der Voraussetzung, dass keine Vereinbarungen über Haftungsausschlüsse oder Haftungseinschränkungen aller Gesellschafter vorgesehen sind.

Die Ernennung eines Nichtgesellschafters zum Verwaltungsratsmitglied ist hingegen bei KGs nicht zulässig, zumal der Gesetzgeber dazu ausdrücklich Folgendes festlegt: “die Verwaltung der Gesellschaft kann lediglich Komplementärgesellschaftern anvertraut werden” (Artikel 2318 Abs. 2 ZGB);

Der Notariatsrat erachtet es aufgrund der Tatsache, dass das Gesetz bereits bei Gründung die Gesellschafter dazu ermächtigt, die Verwaltungsratsmitglieder mit einer Kapitalerhöhung innerhalb vorgegebener Obergrenzen (Artikel 2443 ZGB) zu betrauen, als plausibel, dass die Gesellschafter anlässlich der Gründung einer Kapitalgesellschaft (nach vorheriger Eintragung in das Handelsregister), unmittelbar eine Kapitalerhöhung beschließen können.

 

Mit freundlichen Grüßen

HAGER & PARTNERS

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