Gesetzesvertretendes Dekret 180/2024
Das GVD 180/2024 (veröffentlicht am 30. November 2024 im Amtsblatt der Republik Italien) wurde zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2020/285 des Rates vom 18. Februar 2020 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in Bezug auf die Sonderregelung für Kleinunternehmen und der Richtlinie (EU) 2022/542 des Rates vom 5. April 2022 über die Änderung der Richtlinien 2006/112/EG und (EU) 2020/285 in Bezug auf die Mehrwertsteuersätze, erlassen.
Die rechtlichen Neuerungen im Bereich der Mehrwertsteuerbefreiung sehen Folgendes vor: i) die Regelung zu der in Italien angewandten Steuerbefreiung für in einem anderen EU-Land niedergelassene «steuerpflichtige natürliche Personen»; ii) die Regelung zu der in anderen EU-Ländern angewandten Steuerbefreiung für «auf dem italienischen Hoheitsgebiet niedergelassene steuerpflichtige natürliche Personen».
Nicht auf dem italienischen Hoheitsgebiet niedergelassenen Steuerpflichtigen wird die Steuerbefreiung gemäß Gesetz 190/2024 zuerkannt, sofern diese dieselben Voraussetzungen wie Pauschalbesteuerte erfüllen. Die Steuerbefreiung ist daher einzig nicht ansässigen natürlichen Personen vorbehalten.
In Anlehnung an die Bestimmungen für niedergelassene Steuerpflichtige ist für nicht niedergelassene Steuerpflichtige ab dem Zeitpunkt, zu dem diese die Steuerbefreiung auf dem italienischen Hoheitsgebiet in Anspruch nehmen, die Befreiung von den
Mehrwertsteuerauflagen vorgesehen. Steuerpflichtige unterliegen weiterhin der Bescheinigungs- und der Rechnungsstellungspflicht. Sofern vorgesehen, kann die Rechnung dabei auch in vereinfachter Form im Sinne von Artikel 21-bis DPR 633/1972 ausgestellt werden.
In Italien niedergelassene Steuerpflichtige (selbst wenn sie die Pauschalbesteuerung gemäß Gesetz 190/2014 nicht in Anspruch nehmen) ermitteln die Zugangsschwellen für die Steuerbefreiung in einem anderen EU-Mitgliedsstaat (grenzüberschreitende Steuerbefreiung) anhand des Umsatzvolumens, das nach den Regeln der Mehrwertsteuerrichtlinie berechnet wird.
In Umsetzung der Richtlinie 2022/542/UE werden darüber hinaus spezifische territoriale Kriterien für kulturelle, künstlerische, sportliche, wissenschaftliche, erzieherische, freizeitbezogene und ähnliche Aktivitäten eingeführt, sofern dieselben per Streaming übertragen oder auf andere Weise virtuell verfügbar gemacht werden.
Die Umsetzungsbestimmungen der oben genannten Richtlinien treten ab 1. Januar 2025 in Kraft.
Es folgt eine kurze Analyse der wichtigsten Neuerungen.
EU REGELUNG ZUR STEUERBEFREIUNG
Regeln zu der in Italien für auf in anderen EU-Mitgliedsstaaten niedergelassene Steuerpflichtige anwendbaren Steuerbefreiung
Zulassungsvoraussetzungen
Eine in einem andere EU-Mitgliedsstaat niedergelassene steuerpflichtige natürliche Person kann die Steuerbefreiung auf dem italienischen Hoheitsgebiet in Anspruch nehmen, sofern die folgenden Voraussetzungen gegeben sind:
a) Umsatz in der EU von nicht mehr als 100.000 Euro im vorangegangenen Kalenderjahr;
b) Umsatz auf dem italienischen Hoheitsgebiet von nicht mehr als 85.000 Euro oder dem gemäß Artikel 1 Absatz 54 Gesetz 190/2014 festgelegten niedrigeren Schwellenwert im vorangegangenen Kalenderjahr;
c) Umsatz in der EU von nicht mehr als 100.000 Euro in dem vor der Benachrichtigung gemäß Buchstabe b) laufenden Kalenderjahr
d) vorherige Benachrichtigung des eigenen Staates der Niederlassung über die Absicht, die Steuerbefreiung auf dem italienischen Hoheitsgebiet in Anspruch zu nehmen;
e) Identifizierung für die Zwecke der Anwendung der Steuerbefreiung durch die Identifikationsnummer EX ausschließlich im Mitgliedsstaat der Niederlassung.
Von der Inanspruchnahme der Steuervergünstigung ausgenommen sind Wirtschaftstreibende in der EU, die Ausschlussvoraussetzungen erfüllen, die mit jenen gemäß Gesetz 190/2014 vergleichbar sind.
Mehrwertsteuerliche Auflagen
Zur Steuerbefreiung zugelassene Steuerpflichtige sind auf dem italienischen Hoheitsgebiet von allen mehrwertsteuerrechtlichen Auflagen befreit. Davon ausgenommen ist die Pflicht zur Bescheinigung der Tageseinnahmen und zur Aufbewahrung der jeweiligen Unterlagen.
Sofern eine Rechnungsstellung vorgesehen ist, kann die Rechnung gemäß Artikel 21-bis als vereinfachte Rechnung ausgestellt werden, selbst wenn der Gesamtbetrag über dem Schwellenwert gemäß Artikel 21-bis Absatz 1 DPR 633/1972 liegt.
Nicht niedergelassene Steuerpflichtige sind dazu verpflichtet, sich auf dem italienischen Hoheitsgebiet für die Mehrwertsteuerzwecke zu identifizieren und eine Mehrwertsteuererklärung einzureichen, sofern sie im eigenen Staat der Niederlassung keine vierteljährlichen Meldungen über die im Bezugsquartal getätigten Mehrwertsteuergeschäfte vorgenommen haben.
Wegfall der Steuerbefreiung
Die Anwendung der Steuerbefreiung in Italien durch nicht niedergelassene Steuerpflichtige fällt weg:
a) wenn dem Staat der Niederlassung gemeldet wurde, dass die Steuerbefreiung auf dem italienischen Hoheitsgebiet nicht mehr in Anspruch genommen wird, und zwar ab dem ersten Tag des Quartals, das auf jenes folgt, in dem der Staat der Niederlassung diese Meldung erhalten hat oder, sofern die Meldung im Laufe des letzten Kalenderquartals zugegangen ist, ab dem ersten Tag des zweiten Monats des darauffolgenden Kalenderquartals;
b) wenn die Umsatzvoraussetzungen nicht mehr gegeben sind: d.h. wenn der Umsatz über 85.000 Euro oder über dem gemäß Artikel 1 Absatz 54 Gesetz 190/2014 festgelegten niedrigeren Schwellenwert liegt oder wenn die sonstigen Voraussetzungen gemäß Artikel 70-quaterdecies Absatz 2 DPR 633/1972 weggefallen sind;
c) wenn der Umsatz-Schwellenwert von 100.000 Euro in Italien überschritten wird, ab dem Kalenderjahr, in dem der Schwellenwert überschritten wurde. In diesem Falle ist die Steuer ab der Durchführung jenes Geschäfts, das zur Überschreitung des Schwellenwertes führt, geschuldet. Der Steuerpflichtige muss sich ab demselben Datum für die Zwecke der Mehrwertsteuer in Italien identifizieren und alle im Bereich der Mehrwertsteuer vorgesehenen Auflagen erfüllen;
d) in den anderen Fällen, in denen die Mehrwertsteueridentifikationsnummer EX deaktiviert wird, ab dem Zeitpunkt, ab dem diese Identifikation wegfällt.
Auf der Grundlage der vom Staat der Niederlassung erhaltenen Auskünfte sowie der allenfalls verfügbaren Informationen teilt das italienische Finanzamt das Datum, zu dem die Steuerbefreiung auf dem italienischen Hoheitsgebiet nicht mehr angewandt wird, unverzüglich mit.
Regeln zu der in anderen EU-Mitgliedsstaaten angewandten Steuerbefreiung seitens der auf dem italienischen Hoheitsgebiet niedergelassenen Steuerpflichtigen
Ein in Italien niedergelassener Steuerpflichtiger kann zur Steuerbefreiung auf dem Hoheitsgebiet anderer EU-Mitgliedsstaaten, die diese Steuerbefreiung erlassen haben, zugelassen werden, sofern die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
a) Umsatz in der EU von nicht mehr als 100.000 Euro in dem der Benachrichtigung vorangehenden Kalenderjahr;
b) Umsatz in der EU von nicht mehr als 100.000 Euro in dem vor der Benachrichtigung laufenden Kalenderjahr;
c) der im Staat der Steuerbefreiung erzielte Jahresumsatz darf den von diesem Staat für die Anwendung der Steuerbefreiung vorgesehenen Umsatz nicht übersteigen;
d) vorherige Benachrichtigung des italienischen Finanzamts über die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf dem Hoheitsgebiet des Staates der Steuerbefreiung;
e) Identifizierung für die Zwecke der Anwendung der Steuerbefreiung lediglich auf dem italienischen Hoheitsgebiet.
Die Benachrichtigung gemäß Buchstabe b) enthält folgende Angaben:
- (i) Name und Nachnahme oder Gesellschaftsbezeichnung oder Firma, Tätigkeit, Rechtsform, meldeamtlicher Wohnsitz oder, sofern davon abweichend, Steuerwohnsitz des Steuerpflichtigen;
- (ii) Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer, Steuernummer und sonstige allfällige Identifikationsnummern, die dem Steuerpflichtigen von anderen Staaten der Steuerbefreiung für Mehrwertsteuerzwecke zugewiesen werden;
- (iii) Staat oder Staaten der Steuerbefreiung, in denen der Steuerpflichtige die Steuerbefreiung in Anspruch nehmen möchte;
- (iv) Gesamtwert der in den beiden Kalenderjahren vor der Benachrichtigung auf dem italienischen Hoheitsgebiet und in jedem der anderen Mitgliedsstaaten, einschließlich der anderen Staaten als jene der Steuerbefreiung, verkauften Güter und der erbrachten Dienstleistungen;
- (v) Gesamtwert der im Zeitraum des vor der Benachrichtigung laufenden Kalenderjahres auf dem italienischen Hoheitsgebiet und in jedem der anderen Mitgliedsstaaten, einschließlich der anderen Staaten als jene der Steuerbefreiung, verkauften Güter und erbrachten Dienstleistungen;
- (vi) weitere Auskünfte, die in der Verfügung des Direktors des italienischen Finanzamts festgelegt sind.
Die Auskünfte gemäß den vorstehenden Buchstaben iv) und v) sind für die Staaten der Steuerbefreiung, die verschiedene sektorspezifische Schwellenwerte festgelegt haben, für jede ausgeübte Tätigkeit gesondert zu liefern.
Der Steuerpflichtige benachrichtigt das italienische Finanzamt vorab und gibt die Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer mit dem Suffix EX, allfällige Änderungen der vorher gelieferten Auskünfte, einschließlich der Absicht, die Steuerbefreiung in einem oder mehreren anderen Mitgliedsstaaten als den ursprünglich angegebenen in Anspruch nehmen zu wollen und die Entscheidung, die Steuerbefreiung in einem oder mehreren vorher angegebenen Staaten nicht mehr in Anspruch nehmen zu wollen, an.
TERRITORIALER GELTUNGSBEREICH MEHRWERTSTEUER
Gemäß der allgemeinen Regel nach Artikel 7-quinquies DPR 633/1972 gilt die Erbringung von Dienstleistungen im Rahmen kultureller, künstlerischer, sportlicher, wissenschaftlicher, erzieherischer, freizeitbezogener und ähnlicher Aktivitäten, einschließlich Messen und Ausstellungen, die Erbringung der Leistungen der Organisatoren dieser Aktivitäten sowie die Erbringung von damit verbundenen Zusatzleistungen an nicht steuerpflichtige Auftraggeber als auf dem italienischen Hoheitsgebiet erfolgt, sofern diese Aktivitäten materiell dort ausgeführt werden. Dasselbe territoriale Kriterium gilt auch für die Erbringung von Leistungen für den Zugang zu kulturellen, künstlerischen, sportlichen, wissenschaftlichen, erzieherischen, freizeitbezogenen und ähnlichen Aktivitäten sowie für die entsprechenden Zusatzleistungen.
Nach den durch GVD 180/2024 eingeführten Änderungen, gelten die oben genannten Leistungen, sofern sie sich auf Aktivitäten beziehen, die per Streaming übertragen oder auf andere Weise virtuell verfügbar gemacht werden, allerdings als dann auf dem italienischen Hoheitsgebiet erbracht, wenn der Auftraggeber im italienischen Staatsgebiet domiziliert oder dort ansässig ist und kein Domizil im Ausland hat.
Darüber hinaus gilt im Zusammenhang mit Leistungen für den Zugang zu kulturellen, künstlerischen, sportlichen, wissenschaftlichen, erzieherischen, freizeitbezogenen und ähnlichen Veranstaltungen, einschließlich Messen und Ausstellungen, sowie der Erbringung von damit verbundenen Zusatzleistungen an steuerpflichtige Auftraggeber, die allgemeine Regel, dass diese als auf dem italienischen Hoheitsgebiet erbracht gelten, wenn diese dort stattfinden.
Nach den durch GVD 180/2024 eingeführten Änderungen kommt die Bestimmung für den Zugang zu Veranstaltungen nicht zur Anwendung, wenn diese virtuell abgehalten werden. In diesem Falle gilt wiederum die allgemeine Regel des territorialen Geltungsbereichs.
GESETZESDEKRET 131/2024 (SALVA INFRAZIONI)
Abschaffung der Rechtsnorm, wonach Kredite oder Personalentsendungen von der Mehrwertsteuer ausgeschlossen sind (Artikel 8 Absatz 35 Gesetz 67/1988). Kredite oder Personalentsendungen sind daher entsprechend den normalen Mehrwertsteuerregelungen der Mehrwertsteuer zu unterwerfen.
Die gegenständliche Bestimmung gilt für Kredite und Personalentsendungen, die ab 1. Januar 2025 abgeschlossen oder erneuert werden; davon ausgenommen ist gemäß dem EuGH-Urteil vom 11. März 2020, Rechtssache C-94/19, oder aufgrund von Artikel 8 Absatz 35 Gesetz 67/1988 das Verhalten der Steuerzahler vor diesem Datum, sofern dazu noch keine definitiven Steuerfestsetzungen vorgenommen wurden.
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Mit freundlichen Grüßen
HAGER & PARTNERS